Unter 300.000 Euro kostet dieser Bus. Das ist eine echte Ansage, denn die Rede ist von einem 14-Meter-Dreiachser mit einem großen, starken Motor, mit Sicherheitstechnik vom Feinsten, jeder Menge Assistenzsystemen bis hin zum GPS-basierten Tempomat und mit einer Inneneinrichtung, die die hochwertige Reise im Blick hat oder eben ein hierzulande noch unbekanntes Segment bedienen will: die Business-Class der Fernlinie. 2+1-Bestuhlung ist das Synonym für Reiseluxus, für Fahrten ohne Sitznachbarn und wenn man doch einen hat, dann mit viel Abstand und einem bequemen Sitz, der fast die Bezeichnung Sessel verdient. Das alles bietet der gefahrene Tourliner. Zum ersten Mal erblickte dieser Typ 2004 das Licht der Buswelt und wurde seitdem 2.500 Mal gebaut. Hierzulande allerdings sieht man das Fahrzeug nur selten, kein Wunder, seine Hauptabsatzmärkte liegen in der Türkei und in England. Warum das so ist, wird klar, wenn man an seinen Bruder, den MAN Lion’s Coach, denkt. Abgesehen vom Design im Innen- und Außenbereich handelt es sich nämlich im Grunde um identische Fahrzeuge. Die Kategorie der preiswerten, einfacheren Busse wird in Deutschland von MAN bedient, Neoplan-Deutschland ist eher City- und Starliner-Land. Und da kommt nun die Tourliner-Besonderheit ins Spiel: sein ebener Boden. Ja, den hat er. Stolze 3,80 Meter misst der Bus in der Höhe, das ist in dieser Fahrzeugklasse ordentlich und das ermöglicht dann auch den Verzicht auf den Mittelgang, üppiger Innenstehhöhe sei Dank. Seitdem der Starliner nicht mehr produziert wird, ist der Tourliner somit das einzig verbliebene Fahrzeug aus dem Hause Neoplan, bei dem sich eine 2+1-Bestuhlung verwirklichen lässt.
Da weint der Buskenner und flucht der Fahrgast? Mitnichten. Denn was sich aus der Kombination preiswertes Fahrzeug und gehobene Innenausstattung machen lässt, eröffnet neue Möglichkeiten, insofern man sich auf neue Sichtweisen einlässt. Welche Zahl steht denn in der Regel beim Kaufpreis eines 2+1-Busses vorn? Doch meistens eine stolze Vier. Doch dem Fahrgast ist die äußere Hülle bekanntermaßen egal, solange der Bus modern wirkt, sauber ist und einen kompetent wirkenden Fahrer hinter dem Steuer hat. Viel wichtiger ist das Thema Bequemlichkeit und Komfort. Und da braucht sich der Tourliner mit seiner Luxusausstattung und dem Efficient-Paket nicht zu verstecken.
Der Geschäftsreisende wäre eine tolle Zielgruppe für die Fernbusbranche. Doch der hat keine Lust, sich in einen vollen Bus zwischen Gäste zu quetschen, die es „Hauptsache billig" wollen. Wenn er nicht fliegt, dann nimmt er meist das Auto, den Bus hat er bisher wohl kaum auf der Agenda. Genauso wenig wie auch der Fernbusbetreiber, denn der Verzicht auf etwa 14 Sitzplätze ist schlicht nicht finanzierbar. Und da kommt der Tourliner ins Spiel, denn den gibt es bereits ab 260.000 Euro.
Neoplan Tourliner L


GPS-unterstützter Tempomat ist die Zukunft
Dieser Bus ist ein reifes Fahrzeug. Seine Kinderkrankheiten (und von denen gab es wohl einige) hat er längst abgelegt und wer sich seine Produktion am runderneuerten MAN-Standort in Ankara anschaut, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Korrosionsprobleme sollten heute kein Thema mehr sein, ebenso wenig wie Verarbeitungsmängel. Fahren lässt sich der Bus zudem spielerisch. Das Fahrwerk ist Spitze und gibt keinen Grund zum Nörgeln. Der D26-Motor ist der den auch ein Neoplan Cityliner an Bord hat und der erfüllt nicht nur die Euro 6-Norm mit Leichtigkeit, sondern fällt auch durch einen moderaten Kraftstoffverbrauch auf. Geschaltet wird per MAN TipMatic, also einer angepassten ZF-AS Tronic-Variante. Die macht ihre Arbeit ausgezeichnet und schaltet die Gänge butterweich. Durch spezielle Rangiermodi lässt es sich damit auch in engen Bereichen ordentlich arbeiten. Abgesehen von ESP, einem sehr sauber arbeitenden Abstandsregeltempomaten und natürlich dem neuen Notbremsassistenten EBA 2 hat der Tourliner ein weiteres, sehr wichtiges Feature an Bord. MAN nennt es „EfficientCruise“. Dabei handelt es sich um einen GPS-unterstützten Tempomaten, der den Verlauf und die Topografie der befahrenen Straße erfasst und den Fahrer in Sachen wirtschaftlicher Fahrweise unterstützt. Das System hat im Test vorzüglich funktioniert. So wird beispielsweise kurz vor einer Bergkuppe ausgekuppelt, damit der Bus über diese im Leerlauf rollen kann, um kurz darauf aufgrund der Schwerkraft bis Tempo 104 zu beschleunigen. Am Berg wird zudem ein Zurückschalten verhindert, wenn das System erkennt, dass der eingelegte Gang ausreichend ist. Das gesamte System arbeitet ohne nötige Fahrereinstellungen – so soll es sein. Solche Systeme werden sich durchsetzen. Denn der Computer ist schlauer als der beste Fahrer. Dieser Satz provoziert und doch stimmt er in zahlreichen Fällen. Wer bereits die Gelegenheit hatte, einen Bus mit einem topografie- oder GPS-basierten Tempomaten zu fahren, kennt sie, die Situationen, in denen der Bus auf scheinbar gerader Strecke plötzlich auskuppelt und es rollen lässt. Oder wenn schon vor Beginn einer Steigung plötzlich einen Gang runtergeschaltet wird. Oder wenn bereits vor der Bergkuppe ausgekuppelt und der Schwung zum Darüberrollen genutzt wird. Es sind Situationen, in denen ein herkömmliches automatisiertes Schaltgetriebe erst reagiert, wenn die Last entsprechend abgefordert wird. Oder in denen der manuell schaltende Fahrer gar nicht reagieren würde. Nach dem Motto „Passt schon“ fährt man so, wie man schon immer gefahren ist. Das ist aber in Sachen Kraftstoffersparnis immer schlechter, als es der Computer könnte. Bis zu acht Prozent lassen sich so einsparen – dauerhaft. Assistenzsysteme, wie das hier vorgestellte, kosten nicht die Welt, bieten aber einen echten Mehrwert. Voraussetzung ist natürlich, dass sie vernünftig konfiguriert und zu bedienen sind. Das freut den Unternehmer. Den Fahrer natürlich auch, der aber ärgert sich über einige Kleinigkeiten, die seinen Arbeitsalltag unnötig erschweren. So besitzt der Bus zwar Fächer über den Achsen mit schön viel Platz – nicht aber die Klappen an der Außenseite dazu. Schade, denn so muss man sich stets in den Kofferraum quetschen, um sein Zeug zu verpacken. Auch nicht wirklich praktisch ist die Anordnung der Tanköffnung hinter der geöffneten Tür 1. Das ist heute meist besser gelöst. Oder die Platzierung der Frischwasserbehälter. Der für die Küche ist sehr weit hinten im Kofferraum verstaut und die beiden Tanks für das WC lassen sich prinzipiell nur per Schlauch befüllen. Doch das sind Kleinigkeiten, die das Gesamtkonzept, das hinter diesem Fahrzeug steckt, nicht schmälern. Zugegeben, der Chef dürfte mit diesem Bus mehr Freude haben als der Fahrer, der es rundherum praktisch liebt. Doch wer einen zuverlässigen Bus ohne viel Schnickschnack sucht, ist genau hier am Ziel angelangt. Zumal es in Sachen Innenausstattung und Konfigurationsmöglichkeiten eine lange, lange Liste gibt. Gut möglich, dass es in zwei Jahren einen überarbeiteten Tourliner geben könnte, doch bis das soweit ist, ist der jetzige Bus ein echter Geheimtipp.