Es ist schon eine Weile her, dass MAN 2011 den Lion’s City mit einem Euro 6-Motor vorgestellt hat. Danach herrschte ein wenig Ruhe, fast schien es, als wäre das Thema in München in Vergessenheit geraten. Besonders vor dem Hintergrund, wie Wettbewerber Daimler die Werbetrommel für seine neuen Busmotoren rührte. Doch spätestens seit dem Herbst 2013 ist es nun auch für die OMNIBUSREVUE Gewissheit: MAN kann – Euro 6! Und wie. Auf der Busworld in Kortrijk machte ein ungewöhnlicher Test die Runde: Mit einem Euro 6 ausgestatteten Cityliner wurden Bestwerte erfahren. In Zusammenarbeit mit dem TÜV Süd wurde eine insgesamt rund 1.320 Kilometer lange Rundstrecke definiert, nach Auswertung der während der Fahrt aufgezeichneten Daten wurde dem Cityliner ein Kraftstoffverbrauch von durchschnittlich rund 19,8 Liter pro 100 Kilometer bescheinigt. Dabei wurde nicht nur auf Autobahnen gefahren, auch Stadt- und Überlandfahrten hatten ihren Anteil. Das klingt beachtlich und ist natürlich dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren wie Leichtbau, Luftwiderstand, Kraftstrang-Auslegung und wirtschaftlicher Fahrweise geschuldet.
Doch kann das auch ein Stadtbus? Windschlüpfrigkeit spielt hier keine große Rolle, hier sind andere Disziplinen gefragt, von denen ein Eco-geschulter Fahrer nur eines von vielen Puzzelteilen ist. Andere Hersteller hatten die Chance, für ihren Euro 6-Motor ein komplett neues Fahrzeug entwickeln zu können. Beim Lion’s City ist das nicht der Fall gewesen, der Bus, so wie man ihn im Wesentlichen kennt, ist fast zehn Jahre alt. Doch Halt: Zur IAA Nutzfahrzeuge im vergangenen Jahr wurde dem Bus eine Frischzellenkur verpasst, die ihn fit machen soll für die nächsten Jahre.
MAN Lion's City Euro 6


ESP ist für den Solobus erhältlich, kostet aber extra
So entwickelte Getriebe-Spezialist ZF sein verbrauchsoptimiertes Automatikgetriebe EcoLife. Das besitzt beim Lion’s City Euro 6 noch eine topographie-abhängige Getriebesteuerung, welche während der Fahrt automatisch das effizienteste Schaltprogramm aktivieren soll, abhängig von der Geländeneigung an Steigungen oder Gefällestrecken. Das funktioniert so, dass an starken Steigungen der Powermodus maximale Leistung zur Verfügung stellt, während der Eco-Modus auf ebener Strecke früher die Kraftstoff sparenden hohen Gänge einlegt. Angenehmer Nebeneffekt: Die niedrigen Schaltdrehzahlen minimieren das Fahrgeräusch. Im Test verrichtete EcoLife seinen Dienst mit Bravour. Es gab keine Situationen, in denen es etwas zu bemängeln gab, im Gegenteil. Ob nun volle Kraft abgefordert wurde oder Stop- and-Go-Situationen ein feinfühliges Fahren erforderten, das Sechsgang-Getriebe kam mit dem Fahrzeug gut zurecht. Um kraftstoffsparend unterwegs sein zu können, ist ein geringes Leergewicht von Vorteil. Hier hat MAN seine Hausaufgaben gemacht – 12.070 Kilogramm mit gefüllten Tanks sind eine Ansage. So etwas kommt natürlich nicht von ungefähr, die Summe der Einzelaktionen macht sich bezahlt. So spart der Hersteller Gewicht durch den Einsatz leichterer und energieoptimierter Klimaanlagen. Bei Solobussen beträgt die Gewichtseinsparung rund 60 Kilogramm, Gelenkbusse bringen auf diese Weise rund 110 Kilogramm weniger auf die Waage. Dank einer optimierten Luftführung konnte die Stromaufnahme des Klimaanlagen-Gebläses um zehn bis 15 Prozent verringert werden. Die neuen Klimaanlagen sind zudem leiser, und die Standzeit der Luftfilter soll höher sein. Sicherheit ist auch so ein Thema, dass MAN seit langem beherrscht, aber nur wenig Aufhebens darum macht. Stichwort ESP. Das Elektronische Stabilitätsprogramm ist erhältlich, allerdings kostet es derzeit als Extra auch extra Geld. Inklusive wird es wohl erst, wenn dieses Sicherheitsfeature Vorschrift wird. Noch einmal zur Erklärung: ESP sorgt im Ernstfall durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder und eine automatische Motormomentreduzierung dafür, dass der Bus in kritischen Fahrsituationen sicher in der Spur bleibt. Im Test funktionierte das System sehr gut, wenn der Bus gezielt zu schnell in Kurven gesteuert wurde. Das Abbremsen erfolgt dabei nicht ruckhaft sondern komfortorientiert. Beim Befahren der Kreisbahn gelang es zudem, eine konstante Geschwindigkeit bei voll durchgedrücktem Gaspedal beizubehalten. Die Bremsen machten einen sehr ordentlichen Eindruck, leider war eine Bremswegmessung nicht möglich, da es regnete. Für alle Interessierten hier jedoch der Bremsweg aus Tempo 80 bei nasser Fahrbahn: 52 Meter.
Der Fahrgastraum wirkt funktionell gestaltet und ein wenig edel
Fahren lässt sich der Lion’s City Euro 6 ausgezeichnet. Dass er diese Disziplin beherrscht, hat er die letzten Jahre nicht nur in Tests sondern eben auch im täglichen, echten Linieneinsatz in ganz Europa bewiesen. Es zeigt sich, nicht nur beim Reisebus beherrschen die Münchener ihr Handwerk, auch der Stadtbus braucht sich in Sachen Fahrwerk nicht zu verstecken. Und man könnte in höchsten Tönen schwärmen, wenn, ja wenn da nicht die Sache mit der Einzelradaufhängung vorn wäre. Die gibt es nämlich nicht mehr. Schon lange nicht. Es ist nicht so, dass die Starrachse ihren Dienst nicht auch gut verrichten würde, im Gegenteil – wenn es diesen Vergleich denn gäbe, könnte man sagen, die MAN-Achse ist der Mercedes unter den Starrachsen. Aber dennoch gibt es sie, die schlechten Straßen, die sich auch über längere Distanzen nicht erweichen lassen, besser zu werden. Es gibt sie, die gemeinen, schräg verlaufenden Querrinnen. Und genau dann spürt man den Unterschied. Ob der Fahrer durch das Fehlen einer Einzelradaufhängung auf Dauer Nachteile davonträgt, darf an dieser Stelle stark bezweifelt, wenn nicht gar ausgeschlossen werden, doch einem modernen Bus sollte man ruhig ein modernes Fahrwerk gönnen. Wie alle MAN-Busse besitzt auch der Lion’s City Euro 6 die ECAS-Luftfederanlage. Diese sorgt für eine elektronisch geregelte Fahrwerksregulierung, sie ermöglicht eine Anhebung des Fahrzeuges über das Fahrniveau bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h und sie ist verantwortlich für die elektronisch-pneumatische Kneeling-Funktion für die rechte Fahrzeugseite. Dann kann nämlich die Einstiegskante um etwa 80 Millimeter abgesenkt werden. Das Ganze funktioniert natürlich auch automatisch. Das Gerippe des Busses ist dank KTL-Beschichtung gut gegen Korrosion geschützt. Bei der kathodischen Tauchlackierung wird der Lack durch elektrischen Gleichstrom dauerhaft auf dem Metall aufgetragen. Die Heck- und Bugverkleidung bestehen aus Kunststoff, sollte es mal einen Rempler gegeben haben, müssen nicht gleich die kompletten Teile getauscht werden, sie sind segmentiert. Auch die Bugklappen sowie die Motorraumklappe bestehen aus Kunststoff, die Seitenwandklappen dagegen aus Aluminium. Der Fahrgastraum wirkt funktionell gestaltet, und ein wenig edel, dafür sorgen die Haltestangen in Nirostastahl-Ausführung. Im Testbus waren 34 Fahrgastsitze von Kneitz „Hip-Hop“ mit schwarz-grauem Bezug verbaut. Zusätzlich haben noch 47 Fahrgäste stehend Platz und Raum für einen Rollstuhlfahrer gibt es auch noch. Die Verarbeitung war ordentlich, das sollte nach einer so langen Produktionsphase auch kein Problem mehr darstellen. Verändert wurde die Fahrgastraumbeleuchtung. Statt Leuchtstofflampen erhellen nun Halogenleuchten in LED-Technik, die an der Mitteldecke untergebracht wurden, den Innenraum. Sie lassen sich in zwei Stufen schalten. Schön ist, dass es in der Windschutzscheibe auch bei voller Innenraumbeleuchtung keine wesentlich störenden Spiegelungen gibt. Gut gedacht und gut gemacht sind die LED-Leuchten an den Einstiegen. Sie erhellen wirkungsvoll den Bereich vor den Türen, was sich gerade in schlecht beleuchteten Gebieten auszahlen wird. Im Falle eines kleinen Remplers oder leichten Unfalles hilft die neue Segmentierung der Seitenwände beim MAN Lion’s City, die Reparaturkosten und Standzeiten in Grenzen zu halten. Anders als bisher muss lediglich das jeweils beschädigte Segment ausgetauscht werden. Dieser Vorteil trägt für ÖPNV-Busbetreiber direkt zur Senkung der Lifecycle-Kosten bei.