Viseon ist angekommen. So kurz und knapp lässt sich heute die Situation rund um den bayerischen Bushersteller skizzieren. Mehr noch: Viseon hat nicht nur dem äußerst schwierigen wirtschaftlichen Umfeld getrotzt, in dem das Unternehmen gestartet ist, allen Unkenrufen zum Trotz machen die Busenthusiasten ihr Ding. Und das mit einer Beharrlichkeit, die erstaunt. So überraschte der Hersteller anfangs mit einem innovativen bis mutigen Fahrzeugkonzept, das viele bis dahin etablierte Standards infrage stellte, verbesserte und erneuerte. Es folgte eine für eine junge Firma beispiellose Erweiterung des Fahrzeugprogramms um Typen, die bis dahin kaum genutzte Nischen besetzten. Den Anfang machte der C10, ein 10,40 Meter kurzer Midibus, mit dem es derzeit höchstens noch der mittlerweile etwas betagte Setra S411 aufnehmen könnte, allerdings nicht in Sachen Preis. Es folgte der C11, ein vollwertiger Reisebus mit einer Länge von knapp 11,40 Metern, der bis zu 45 Fahrgäste aufnehmen kann. Warum es zu dieser Zeit noch keinen 12-Meter-Wagen gab, ist sicherlich entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen geschuldet, die zu dieser Zeit noch mit MAN bestanden. Doch die Zeiten ändern sich und mit ihnen die verfügbaren Viseon-Längen. Heute gibt es zusätzlich den 12,70 Meter langen C13, der es in einer Drei-Sterne-Ausführung auf bis zu 51 Fahrgastplätze bringt oder in einer Fünf-Sterne-Ausführung auf immer noch beachtliche
42 Sitze.
Das jüngste Familienmitglied nun ist der C12 HD, ein exakt 12 Meter langer Hochdecker, der mit 3,78 Metern 220 Millimeter höher als seine Geschwister ist. Trotz ihrer individuellen Längen und Höhen haben aber alle Busse eines gemeinsam: Es handelt sich konsequent um Zweiachser. Doch, Viseon kann auch Dreiachser bauen, verzichtet aber derzeit bei seinen Reisebussen bewusst darauf. Denn eine dritte Achse bedeutet höhere Kosten und die will der Hersteller seinen Kunden ersparen. Gar nicht sparsam geht Viseon dagegen bei der C-Serie mit dem Thema Anspruch um. Der ist nämlich derart hoch, dass er eigentlich unvereinbar mit dem Fahrzeugpreis erscheint. 280.000 Euro kostet der getestete C12 HD, da muss es doch Abstriche geben? Genau das wird dieser Test zeigen.
Viseon C12 HD


Das markante "V" an der Seite ist nach oben gewandert
Äußerlich unterscheidet sich der C12 HD ganz klar von seinen drei Geschwistern. Das Markante V im Bereich der B-Säule ist nach oben gewandert und hat dadurch seine optische Verbindung mit der Seitenwand verloren. Das macht aber nichts, denn dadurch hat sich eine neue Sichtachse aufgetan: die Achse der Eleganz. Das Fensterband der Seitenlinie wird nun nämlich nicht mehr vom V gestoppt, es knickt nun nach unten ab und zieht sich bis zur vorderen Kante. Dadurch ist dem Designer etwas ganz Erstaunliches gelungen: Obwohl der Bus höher wurde, wirkt er dennoch optisch schlanker. Und das steht diesem Viseon ganz ausgezeichnet. Betritt man diesen Bus, wird sofort klar, weshalb ein Hochdecker eine gute Idee ist. Der Bus wirkt innen noch geräumiger, als er das ohnehin bereits ist. Das macht sich nicht unbedingt im Stehen bemerkbar, wohl aber beim Sitzen, denn die 22 Zentimeter mehr an Höhe kamen den Fenstern zugute, die sind nun größer. Das bedeutet eine bessere Sicht nach außen und mehr Platz über den Köpfen. Dennoch kommt ein normal großer Reisender immer noch gut an die Servicesets heran. Das wichtigste Merkmal des höheren C12 HD aber ist der Mittelgang, der angehoben wurde. Das Ergebnis ist ein durchgängig ebener Boden. Und der schafft neue Möglichkeiten. So befinden sich in der Gerippestruktur neben den serienmäßigen Aufnahmeschienen für die Zwei plus Zwei-Bestuhlung bereits Aufnahmepunkte für weitere Bestuhlungsvarianten wie zum Beispiel Zwei plus Eins-Bestuhlung. Davon abgesehen, eignen sich Busse mit ebenem Boden ohnehin für ungewöhnliche oder exklusive Ausbauten. Sei es die Realisierung eines VIP-Konzepts oder eines kompromisslosen Fahrzeugs für mobilitätseingeschränkte Zielgruppen.
Stehhöhe beträgt überall mindestens zwei Meter
Beim C12 HD fällt auf, dass man trotz des Mittelgangs seinen Kopf beim Laufen nicht einzuziehen braucht, denn die Stehhöhe beträgt an allen Positionen des Fahrzeuges mindestens zwei Meter. Mit den vergrößerten Fensterflächen wanderten zudem die Gepäckablagen ein Stück nach oben. Im Heckbereich öffnet sich dann das Dach, wie bereits von den bisherigen Viseon-Reisebussen gewohnt, zum „Open Space“. Eine Spielerei, mag manch Betrachter auf den ersten Blick meinen, doch die Praxis widerlegt solche Vermutungen, besonders, wenn sich im Heck die Küche und das WC befinden. Und dass die dorthin gehören, scheint bei einem Viseon einfach normal. Denn das hat etwas mit ganz normalem Reisekomfort für die Fahrgäste zu tun und nicht mit elitärem Luxusdenken. Und genau dieses Selbstverständnis von modernem Reisen ist es, was Viseon von so manch anderem Hersteller unterscheidet. Fahrgäste erwarten heute einfach eine Bewirtung, in der praktischen Stehküche im Heck ist nicht nur die Zubereitung von Getränken und Speisen wesentlich einfacher als im schmalen Bereich des Mitteleinstiegs, auch die Bereitstellung der Getränke ist aufgrund der für eine Busküche enormen Platzverhältnisse ein Leichtes. Beim Nachttest fiel zudem auf, dass auch an unscheinbare Details gedacht wurde. So befinden sich in den Handläufen der Küche kleine LED-Lampen, die die ausziehbaren Schubladen beleuchten. So etwas bemerkt man kaum und doch ist es ein weiteres Puzzleteil im großen perfekten Ganzen. Dazu gehört auch, dass jeder Raum genutzt wird, wie beispielsweise der Platz unter den Sitzen an der Hecktür. Hier haben die Entwickler ein großzügiges Schubfach untergebracht. Insgesamt macht der Fahrgastraum einen ausgereiften Eindruck. Mag sein, dass dem einen oder anderen die gediegene Eleganz einer TopClass oder eines Starliners fehlt, doch der Komfort- und Luxusgedanke bei Viseon geht eher in die praktische Richtung. Der C12 HD ist kein Blender. Das begreift, wer einmal unter das extravagante Designkleid schaut. Der Bus stammt wie seine Brüder aus dem Modulbaukasten. Bei dem einen Bus wird etwas mehr Überhang gegeben, beim anderen wächst der Bereich zwischen den Achsen – kein Wunder also, dass dieser Bus bis zur Fensterbrüstung exakt die gleiche selbsttragende Karosserie besitzt wie der C10, C11 oder C13. Das ist klug gedacht, denn dadurch reduzieren sich Fertigungs- und Erstatzteilkosten. Die selbsttragende Karosserie ist gefertigt mit einem Gitterrohrrahmen in Ringspantentechnik, was die Festigkeit und die Überrollsicherheit entscheidend erhöht. Das gesamte Stahlrohrgerippe ist dabei mit einer KTL-Beschichtung gegen Korrosion geschützt. Viseon ist von dieser Maßnahme derart überzeugt, dass es eine sechsjährige Garantie gegen Durchrostung gibt.