Länge läuft. Diese Binsenweisheit ist bekannt und sagt doch nur die Hälfte. Denn sie bezieht sich ausschließlich auf das Fahrverhalten von Fahrzeugen mit einem langen Radstand. Je länger, desto ruhiger. Umso mehr ist es eine echte Herausforderung für jeden Bushersteller, der sich auch am kurzen Segment versucht. Denn die großen Kleinen haben unbestreitbare Vorteile. Eine Wendigkeit, die unerreicht ist, sowie ein Raumgefühl, das an jenes von Großraumlimousinen erinnert und damit Kunden anspricht, die das Besondere, Individuelle suchen. Zugegeben, der Markt der Busse unter elf Metern ist ausgesprochen klein, doch es gibt ihn. Seit etwas über einem Jahr hat nun auch Setra wieder einen Bus im Programm, das mit dem Auslaufen der Baureihe 400 unvollständig blieb. Basierte der S 411 HD noch auf der TopClass, nimmt Setra heute, beim S 511 HD, die ComfortClass als Grundlage. Das ist keine schlechte Entscheidung, denn die Busse dieser Baureihe haben sich längst als hochwertige, praxistaugliche Reisebusse etablieren können.
Mit dem S 511 HD zeigt der Hersteller, dass er auch auf wenig Raum eine Menge unterbringen kann. Größter Unterschied ist der Bereich zwischen den Achsen. Zwei statt drei Kofferraumklappen ergeben einen Radstand von knapp über fünf Metern statt knapp über sechs Metern. Der Überhang vorn wurde ebenfalls erheblich gekürzt. Er beträgt gerade mal 2,26 Meter. Damit entfällt vorne rechts der Platz für den Dieseltank. Dieser und auch der Tank für AdBlue sitzen nun links vorn hinter der Vorderachse, woraus sich eine nun nur noch auf einer Seite befindliche Tankklappe ergibt. Dafür aber sitzen die Einfüllstutzen für Diesel und AdBlue direkt nebeneinander hinter ein und derselben Klappe.
Das Ganze geht natürlich zulasten des Kofferraumvolumens, doch mit 7,5 Kubikmetern ist es beim Testbus immer noch ordentlich. Das gilt jedoch nur, wenn, wie gefahren, ein Heckeinstieg verbaut ist, ansonsten reduziert sich das Volumen noch einmal um einen Kubikmeter. Also lieber gleich immer auf Hecktür setzen? Leider ist es wie so oft im Leben: Das eine bekommen, ohne auf das andere zu verzichten, ist nicht drin. Denn Heckeinstieg bedeutet Verzicht auf Sitzplätze. Drei bei 3-Sterne-Bestuhlung, um genau zu sein. Doch die dann noch erhältlichen 38 Sitzplätze sind für einen Bus mit einer Länge von 10,65 Metern immer noch sehr ordentlich und sowieso sollte man seinen Fahrgästen – wenn schon denn schon – den vollen Luxus gönnen und das ist eine 5-Sterne-Ausstattung mit 30 (32 bei Mitteleinstieg) Sitzplätzen. Auch der hintere Überhang wurde verkürzt, jedoch nur um etwa 30 Zentimeter im Vergleich zum 12-Meter-Wagen. Insgesamt ergibt sich dadurch eine Wendigkeit, die durch die Zahl 17,46 Meter recht deutlich beschrieben wird. Oder leicht überzeichnet geschrieben: Die Spitzkehre muss erst noch erfunden werden, die dieser Bus nicht meistert.

35 Liter Durchschnittsverbrauch im Test
Spitzkehren befinden sich ja meist in den Bergen mit entsprechender Steigung. Und hier gilt: Leistung ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Leistung. Im Gegensatz zu seinem Konzern-Geschwisterkind, dem Mercedes-Benz Tourimso K, muss der S 511 HD nicht mit dem sehr kleinen OM 936 Vorlieb nehmen. Ihm wird der deutlich agilere OM 470 mit einem Hubraum von 10,6 Litern gegönnt. Knapp 400 Pferdestärken, deren maximales Drehmoment von immerhin 1.900 Newtonmetern bereits bei 1.100 U/min anliegt, treiben den Bus mit einem Testgewicht von über 15 Tonnen zügig jede Bergstraße hoch. Dabei hält sich auch der Kraftstoffverbrauch im Rahmen, denn die gemessenen 35 Liter Durchschnittsverbrauch sind im Rahmen des OR-Supertests eher im unteren Bereich anzusiedeln. Apropos Kraftstoffverbrauch: 24,39 Liter gönnte sich der S 511 HD durchschnittlich. Das ist zwar kein Spitzenwert, geht aber immer noch in Ordnung. Besonders auf glatten Autobahnetappen werden schon mal Werte von unter 17 Litern Durchschnittsverbrauch erzielt. Hier spielen natürlich mehrere Faktoren eine Rolle wie beispielsweise das Wetter, aber eben auch die Achsuntersetzung, die beim Testbus einen Wert von i=3,583 besaß. In Verbindung mit dem automatisierten 8-Gang Powershift-Getriebe GO 250-8 ergibt das eine günstige Kraftstrang-Kombination. Dass ausreichend Leistung zur Verfügung stand, spürte man auch daran, dass das Getriebe auch an Steigungen erst spät herunterschalten muss. Was natürlich während der 600 Kilometer langen Testfahrt immer wieder beobachtet werden konnte, war ein leichtes Nicken des Busses auf entsprechenden Fahrbahnen. Insgesamt jedoch fiel es weniger unangenehm auf als beim Wettbewerber aus dem eigenem Konzern. Möglicherweise könnte man das Fahrverhalten noch etwas beruhigen, indem adaptive Stoßdämpfer eingesetzt werden, wirklich notwendig erscheint das aber nicht. Was eher auffällt, ist das ein wenig nervöse Lenkverhalten im Vergleich zu längeren Reisebussen. Aber auch hier gilt, man kann nicht das agile Fahrverhalten eines Pkw bekommen und gleichzeitig die Gutmütigkeit eines Reisebusses erhalten. Doch daran gewöhnt man sich sehr schnell, die Lenkung ist straff genug, um nicht nervös zu wirken. Das alles konnte auch auf dem Fahrsicherheitsgelände im Brandenburgischen Linthe erfahren werden, speziell die Pylonengasse ließ sich sehr exakt durchfahren. Auffällig ist das frühe Eingreifen des ESP gegenüber dem 12-Meter-Bus – das ist dem kurzen Radstand geschuldet und erzieht im Zweifel eher zu einer gutmütigen Fahrweise. Sicherheitstechnisch bringt der Kleine alles mit, was auch die übrige ComfortClass-Familie besitzt. Ob passive Sicherheitselemente wie Front Collision Guard oder Ringspanten und aktive Sicherheitssysteme wie ESP, Bremsassistent, Spurverlassenswarner und natürlich ABA 3 – alles ist an Bord. Und dazu kam der Testwagen noch mit den neuen LED-Scheinwerfern, die auch beim Nachttest für eine sehr gute Ausleuchtung der Fahrbahn sorgten. Beim Aufblenden der Abbiegelichter übrigens sieht man erst, wie funzelig gelblich die konventionelle Beleuchtung wirkt.