Auf der diesjährigen Busworld in Kortrijk war er der Star am Stand von MAN. Der Lion‘s Coach der aktuellsten Generation begeisterte viele Besucher schlichtweg durch sein mehr als aufgefrischtes Design. So selbstbewusst, so markant hat man einen Reisebus von MAN wohl noch nie erlebt. Jetzt müssen nur noch die inneren Werte stimmen.
Fahrbericht von Mallorca
Welche Destination eignet sich besser, einen Reisebus kennenzulernen, als eine, die auch im echten Busleben zu seinen Zielen zählt. Fahr-Termin auf der Ferieninsel Mallorca, die Mitte November zwar nicht mehr wirklich überlaufen ist, dafür aber mit großer Gewissheit eine Sonnengarantie bieten kann. Allerdings zum Preis ziemlich eisiger Herbstwinde, die das Meer rund um die Balearen-Insel gehörig aufpeitschten. Das hat dann auch zur Folge, dass sich in jeder noch so kleinen Ritze feinster Sand einnistet, der vom Herbststurm über die Insel geblasen wird. Doch echte Löwen stört das nicht, im Gegenteil, auf den teils langen, schnurgeraden Autobahn-Etappen ist das eine gute Gelegenheit, sich mit der Windanfälligkeit des Busses vertraut zu machen. Doch der Reihe nach.
Das Aussehen
Äußerlich ist der neue Lion’s Coach eine echte Überraschung. Während der noch aktuelle Coach unter Freunden guten Bus-Geschmacks im besten Fall eher für wohlwollendes Desinteresse sorgte, kommt der Neue mit „Wow-Garantie“ vorgefahren. Der Wettbewerb muss ergo ganz tapfer sein, denn was das Team um Stephan Schönherr kreiert hat, ist eine Augenweide. Gekonnt hat man es verstanden, kreativ mit Formen und Linien zu spielen. Das ist umso bemerkenswerter, da man sich beim Fahrzeug am bestehenden Grundbaukasten orientieren musste – es handelt sich schließlich nicht um eine komplette Neukonstruktion. Ähnliches konnte die Buswelt gerade beim Neoplan Tourliner erleben, ihn halten viele für einen Neubau, dabei ist auch er „nur“ die Summe geschickter Verbesserungen im Allgemeinen und im Detail.
Die Details
Besonders markant ist beim neuen Lion’s Coach die Scheinwerferpartie. Die Scheinwerfer läuten sozusagen die neue Lichtgeneration im Hause MAN ein, was nichts anderes bedeutet, als dass wir diesen Scheinwerfer später auch beim Lkw finden werden. Durchaus ein Novum, dem Bus den Vorzug zu lassen. Wie gut die Scheinwerfer dem Bus stehen, ließ sich übrigens bestens auf Mallorca erfahren. Recht früh wird es im November dunkel, was bedeutet, dass die Lichtfahrten zunehmen. Auf engen Straßen mit dicht an die Fahrbahn heranreichenden Steinmauern leistet der Scheinwerfer ganze Arbeit. Alles wird perfekt ausgeleuchtet, die Lichtstreuung ist optimal. Je dunkler es wird, desto klarer und heller wirkt das Licht auf der Fahrbahn. Dabei ist es gar nicht heller als Xenon-Licht, es ist nur anders, ähnelt mehr dem Tageslicht. Das soll dann auch bei langen Nachtetappen einer Ermüdung der Augen vorbeugen.
Tagsüber zeichnen LED-Tagfahrleisten ein kantiges Bild des MAN. Besonders gut gelöst ist ihre Doppelfunktion als Blinker/Tagfahrlicht, auch bekannt von einigen Pkw. Überhaupt ist LED das große Thema im Lion’s Coach. Herkömmliche Glühlampen muss man mit der Lupe suchen. Neu und ebenfalls gelungen sind die Voll-LED- Rückleuchten. Wie zwei Lichtfälle fließt das Rücklicht am bemerkenswert schnörkellosen Rücken entlang. Der ist dann auch das nächste optische Highlight. Prangt hier keine Werbung, glänzt das Heck wie die Rückseite moderner Smartphones, die ja neuerdings bekanntlich gerne aus Glas gefertigt werden. Keine Bange, beim Lion’s Coach ist das nicht der Fall. Eine kleine optische Kuriosität, die allerdings nur bei hell lackierten Bussen auffällt, ist die Gestaltung der Motorraum-Belüftungsgitter hinten seitlich. Sie erinnert verblüffend an eine überdimensionale Büroklammer. Und da wären wir wieder bei der Bestimmung des Busses: Er ist ein wahrer Arbeitnehmer.
MAN Lion's Coach/Modell 2017


Neuerungen am MAN Lion's Coach
Die echten, also die Fahrer, brauchen sich nicht großartig umzustellen, wenn sie bereits einen halbwegs aktuellen Lion’s Coach fahren. Im Cockpitbereich wurde nämlich fast alles gelassen, wie es war, die letzte Rundumerneuerung ist schließlich noch gar nicht so lange her. Lediglich links der Ablagebereich wurde vergrößert. Das Touchscreen-Multimediacenter ist ein guter Bekannter. Neu ist das jetzt farbige Zentraldisplay, welches auf Knopfdruck verschiedenste Betriebszustände darstellen kann, dazu zählen auch die Informationen bei gesetztem Abstandsregeltempomat. Der funktionierte während der Testfahrt recht gut, lediglich im Stadtverkehr, wenn Verkehrsteilnehmer vor dem Bus stärker verzögern, könnte das System noch ein wenig Feinabstimmung vertragen, um die eigenen Fahrgäste nicht zu stark durch ruckhafte Bremsmanöver zu verärgern. Über einen Stop-and-Go Assistenten verfügt der Lion’s Coach derzeit nicht, ab Tempo 30 schaltet sich das System ab. Dafür macht die runderneuerte und aus dem Neoplan Tourliner bekannte MAN TipMatic einen ausgezeichneten Eindruck. Die neue Getriebefunktion SmartShifting kombiniert einen schnellen Schaltablauf in allen Gängen, die Hochschaltunterstützung sowie das Schalten passend zur Fahrsituation. Auch das um 200 Nm verbesserte Drehmoment trägt zu einem verbesserten Anfahrverhalten bei. Insgesamt überzeugte der um 20 PS stärkere Motor mit einer souveränen Fahrleistung über einen breiten Drehzahlbereich. Bereits ab niedrigen 930 Umdrehungen pro Minute steht das maximale Drehmoment von 2.100 Newtonmetern zur Verfügung. Eine weitere Neuerung nennt sich Idle Speed Driving. Sie ermöglicht komfortables Fahren bei Leerlaufdrehzahl ohne Fahrpedalbetätigung. Mit der neuen Funktion kann der Bus mit geschlossener Kupplung durch zähfließenden Verkehr bewegt werden. Während ein Hochtippen der Gänge in den Gängen 1 bis 6 manuell möglich ist, erfolgt das Zurückschalten automatisch, wenn das Drehmoment im Leerlauf für einen höheren Gang nicht ausreicht oder der Fahrer bremst. Darüber hinaus sind zahlreiche Assistenzsysteme verfügbar wie der topografiebasierte Tempomat MAN EfficientCruise mit der Rollfunktion EfficientRoll, Spurhalteassistent LGS und MAN Attention Guard. Eine neue Stoßdämpfer-Generation hat Einzug gehalten, allerdings handelt es sich dabei nicht um adaptive Stoßdämpfer, wie es sie beispielsweise im Neoplan Cityliner gibt. Mit Einzug der neuen Stoßdämpfer wurde die Fahrwerksabstimmung verbessert, was sich während der ersten Testfahrt durchaus in einem sehr unproblematischen Fahrverhalten äußerte. Positiv ist auch, dass der Bus beim Anhalten deutlich weniger als allgemein üblich nachschwingt.