Mit dem Neoplan Tourliner ist MAN tatsächlich etwas ganz Besonderes gelungen, nämlich eine Art Metamorphose. Vom unscheinbaren Gesellen hin zum strahlenden Prinzen vollzog dieser Bus eine erstaunliche Wandlung. Erstaunlich deswegen, weil es sich beim aktuellen Fahrzeug keineswegs um eine komplette Neukonstruktion handelt, sondern weil die vorhandene Basis clever genutzt wurde, um darauf einen Bus zu setzen, der Bewährtes mit Innovation verknüpft. Dass man bei einer solchen Vorgehensweise nicht sämtliche Schwachstellen ausmerzen kann, liegt auf der Hand.
Nachdem die OMNIBUSREVUE den Tourliner bereits im vergangenen Jahr Probe fahren durfte und dabei dem Bus jede Menge Potenzial sowohl optisch als auch technologisch attestierte, musste sich das Fahrzeug Anfang des Jahres im Rahmen einer Fernfahrt aus dem Norden Schwedens bis nach Kopenhagen bewähren. Ein typischer Einsatz bei Schnee, Regen, Wind und Sonne, gefahren wurde hauptsächlich auf Schnellstraßen und Autobahnen. Zwei Tage ausreichend Zeit, den Bus in Ruhe kennenzulernen. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeigte sich, dass die neuen Assistenzsysteme nahezu perfekt arbeiten. „Nahezu“ aus dem Grund, da sich der Abstandsregeltempomat bei Regen zuverlässig abschaltete, was aber laut MAN am Prototypen Status des Busses liegen und in der Serie nicht mehr vorkommen soll. Die neuen, serienmäßigen Schaltoptionen Idle-Speed-Driving und Speed Shifting sind eine sinnvolle Ergänzung der MAN TipMatic. Den Fahrer besonders in Stop-and-go-Situationen entlasten soll Idle-Speed-Driving. Dabei fährt der Bus lediglich in der Leerlaufdrehzahl von 600 U/min, wobei die Kupplung nur für den Moment des Gangwechsels geöffnet wird. Das schont die Kupplung und erhöht deutlich den Fahrkomfort, da mögliche Schaltrucke fast komplett entfallen.
Besonders schnell wird zwischen den Gängen 10, 11 und 12 geschaltet, das soll Geschwindigkeitsverluste verringern. In der Praxis scheint das sehr gut zu funktionieren, so richtig getestet werden konnte das mangels direktem Vergleich nicht, das subjektive Empfinden jedenfalls sprach für äußerst schnelle Gangwechsel. Die beiden neuen Getriebeprogramme gehören zum Gesamtpaket Euro 6C, bei dem die Kraftstoffeffizienz noch einmal erhöht wurde. Dazu zählt auch ein neuer Taumelscheibenkompressor, den der Testbus zwar nicht besaß, der aber bei aktuellen Kundenfahrzeugen bereits verbaut wird. Überhaupt stellt der gesamte Kraftstrang eine konsequente Weiterentwicklung dar, die sukzessive am rollenden Objekt durchgeführt wird. Dazu gehören auch neue Spannrollen, die derzeit getestet werden und die eine höhere Lebensdauer besitzen sollen. Der Tourliner wird von MAN gerne als neues Fahrzeug bezeichnet, in Anbetracht der Veränderungen, die dieser Bus erfahren hat, soll diese Aussage mal so stehen gelassen werden.
Der Neoplan Tourliner im Supertest


Verändertes Design innen wie außen
Großer Wert wurde ja auf ein verändertes Design gelegt im Hinblick auf eine verbesserte Aerodynamik. So etwas geschieht ja bekanntlich nicht zum Selbstzweck, sondern soll primär den Kraftstoffverbrauch bei höheren Geschwindigkeiten senken. Verbrauchstechnisch braucht sich der Tourliner nicht zu verstecken. Die relativ ebenen Autobahn-Etappen schlugen mit Verbräuchen zwischen 18 und 20,5 Litern/100 km zu Buche. Am Testtag herrschte recht starker Wind, was sicher zu berücksichtigen ist. Die beiden Stadtetappen wurden mit deutlich unter 40 Litern/100 km bewältigt und die schwere Landstraße leistete sich mit knapp 38 Litern/100 km auch keinen Ausreißer. Beeindruckend ist übrigens die Drehzahl von gerade einmal 1.080 U/min, was sicherlich auch der Achsübersetzung von i=2,73 geschuldet ist. Der Tourliner muss auf die adaptiven Stoßdämpfer CDC verzichten, seine Einzelradaufhängung in Verbindung mit Stabilisatoren und konventionellen Stoßdämpfern sorgt für den notwendigen Dämpfungs- und Federungskomfort. Das klappt recht gut, lediglich auf der schnell durchfahrenen Schlechtweg Kopfsteinpflaster-Strecke fuhr sich der Bus ein wenig unruhiger als beispielsweise ein Neoplan Cityliner. Durch das neue Design wanderten auch die Außenspiegel ein Stück nach innen, was ein wenig übertrieben wurde, da man sich, um die rechte Positionsleuchte sehen zu können, weit nach rechts neigen muss. Doch hier soll laut MAN Abhilfe geschaffen werden. Die Spiegelsicht ist grundsätzlich gut, auf den Weitwinkelspiegel links oben kann locker verzichtet werden, zumal dieser auch noch ein Stück der vorderen unteren Ecke abbildet, mehr aber leider auch nicht. Ein vollwertiger Rampenspiegel würde mehr Sinn machen. Als Fahrer kann man dennoch recht zufrieden sein mit diesem Bus, denn der Arbeitsplatz ist sinnvoll gestaltet. Sehr schön wurden die Ablagemöglichkeiten auf der linken Seite umgesetzt. Sehr große Fahrer könnten Probleme mit der unzureichenden Sitzverstellmöglichkeit nach hinten bekommen, der OMNIBUSREVUE-Testredakteur mit seinen 1,88 m hatte dagegen für seine Größe nichts zu bemängeln. Das gilt auch für das Multimedia-Center mit seinem 7 Zoll-Touchscreen. Sämtliche Eingaben lassen sich gut tätigen, ein echter Fortschritt im Vergleich zu den lediglich per Drehschalter oder Fernsteuerung zu bedienenden Centern. Kleiner Nachteil des Touch-Systems: Fettfinger sieht man überdeutlich, das übrigens auch auf den schönen, in schwarzem Klavierlack gehaltenen Oberflächen beim Lenkrad oder dem Instrumententräger. Ein Läppchen sollte in Griffweite liegen.