Die rosaroten Brillen abnehmen
Er ist der Buhmann der Nation: der Dieselmotor. Kaum eine Woche vergeht, in der den Deutschen nicht von irgendeiner Stelle ein schlechtes Gewissen in Sachen Selbstzünder eingeredet wird. Und keine Woche vergeht, in der das Elektroauto als Heilsbringer gefeiert wird. Glücklicherweise aber bekommt die durch ausschließlich rosarote Brillen zu schauen scheinende Anti-Diesel-Fraktion mehr und mehr Gegenwind in Form von vernünftigen und fundierten Analysen, die aufzeigen, dass Elektromobilität zwar eine wichtige, längst aber nicht mit einem Alleinstellungsmerkmal versehene Lösung der automobilen Verkehrs- und Ökoprobleme darstellt. Es ist wie bei so vielen Dingen im Leben: Die Mischung macht’s. Natürlich ist es eine ausgezeichnete Sache, wenn gerade Omnibusse in den besonders belasteten Innenstädten lokal keine Emissionen mehr erzeugen. Das sind sowohl Abgase als auch Motorengeräusche.
Welche guten Auswirkungen das haben kann, hat die OMNIBUSREVUE erst kürzlich aus Eindhoven berichtet. Berichtet wurde aber auch, mit welchem Aufwand und welchen Kosten eine Umstellung selbst von nur einigen Linien verbunden ist. Solange Fördergelder fließen, mag das funktionieren, doch wenn die Verkehrsunternehmen sich die E-Mobilität komplett selbst erwirtschaften müssen, sieht es plötzlich deutlich düsterer aus.
"Mini-Hybridantrieb" im Citaro
Und genau hier sollte sich jeder verantwortungsbewusste Planer die Frage gefallen lassen, ob es nicht noch Alternativen zur elektrischen Alternative gibt. Denn die Antwort lautet: Es gibt sie. Schon heute. Da wäre an erster Stelle der Gasantrieb zu nennen und an zweiter Stelle der saubere Dieselmotor. Denn dieser stellt im Nutzfahrzeug längst kaum noch eine nennenswerte gesundheitliche Gefährdung dar. Im Gegenteil, die gesetzlich geforderten Grenzwerte werden teils deutlich unterschritten, wie unabhängige Untersuchungen in letzter Zeit immer wieder ergeben haben. Natürlich, das Problem Feinstaub wird dadurch nicht gelöst, das ist aber auch beim Elektrobus noch längst nicht vom Tisch.
Einen Dieselmotor noch weiter zu entwickeln, um auch das letzte Quäntchen CO2 oder NOx herauszufiltern, ist natürlich möglich, macht aber irgendwann keinen Sinn mehr. Um den effizienten Diesel dennoch weiter optimieren zu können, sind andere Lösungen gefragt. Und eine kam nun von Mercedes-Benz in Form eines „Mini-Hybridantriebs“. Natürlich, der Hybridbus an sich ist eine bekannte Angelegenheit. Hersteller versprechen bei seriellen oder parallelen Hybridbussen Einsparungen von bis zu sagenhaften 30 Prozent Dieselkraftstoff. Leider aber konnten sich diese Fahrzeuge bis heute so gut wie nicht durchsetzen und wenn sie es doch in größerer Zahl auf die Straße schafften, dann aufgrund von Fördergeldern. Denn der Aufpreis eines üblichen Hybridbusses ist derart hoch, dass sich ein solcher Bus kaum rechnet.

Die Technik dahinter
An diesem Punkt setzen die Mercedes-Entwickler an. Sie versprechen keine 30 Prozent Kraftstoffeinsparung. Lediglich acht bis neun Prozent sollen drin sein. Dafür aber dürfte der Hybrid-Aufpreis bereits nach etwa vier Jahren erspart worden sein. Zwischen 10.000 und 15.000 Euro verlangt Mercedes-Benz für das System. Und so funktioniert das Ganze: Ein kleiner Elektromotor arbeitet beim Bremsen oder Verzögern des Omnibusses als Generator und wandelt Bremsenergie in Strom um. Dieser Strom steht dem Elektromotor, gespeichert in Supercaps, zur Unterstützung des Verbrennungsmotors vor allem beim Anfahren zur Verfügung. Dabei wirkt der Elektromotor wie eine Art schiebender Arm, der den Diesel- oder Gasmotor entlastet. Oder anders ausgedrückt: Er dient nicht zur Steigerung der Maximalleistung, er entlastet den Verbrennungsmotor und steigert die Anfahrperformance. Die Spitzenleistung des Verbrennungsmotors wird unmerklich zurückgenommen und durch den Elektromotor ersetzt. Darüber hinaus verbessert bei Leerlaufdrehzahl ein leichtes Boosten durch den Elektromotor den Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors. Der Elektromotor befindet sich zwischen dem Verbrennungsmotor und dem Automatikgetriebe. Seine Leistung beläuft sich auf 14 kW, das entspicht 19 PS. Das Drehmoment beträgt immerhin 220 Nm. Der Stromspeicher des Citaro Hybrid besteht aus zwei Modulen mit einer Gesamtkapazität von zwei Ah und ist hinten auf dem Dach montiert. Ein Inverter oder Wechselrichter wandelt den gespeicherten Gleichstrom in Wechselstrom zum Antrieb des Elektromotors um. Inverter und E-Motor sind wassergekühlt. Ein weiterer Vorteil des neuen Systems: Der Citaro Hybrid verzichtet auf ein aufwendiges Hochvoltnetz. Der Stadtbus verfügt als erstes Nutzfahrzeug über ein separates 48-Volt-Netz, analog zu Pkw mit Hybridantrieb von Mercedes-Benz. Großer Vorteil des kompakten und unkomplizierten zusätzlichen Hybridantriebs: Der benötigte Bauraum ist gering, die Außenkonturen bleiben ebenso unverändert wie der Innenraum – es gehen keine Fahrgastsitze verloren. Das Mehrgewicht beläuft sich auf gerade einmal 156 kg. Daher verringert sich die Gesamtzahl der Fahrgastplätze nur unwesentlich: Der Citaro Hybrid bietet in Serienausstattung als Solowagen bis zu 105 Fahrgastplätze und als Gelenkbus 159 Fahrgastplätze. Ein Grund für den nur moderaten Preis des Systems ist die konsequente Verwendung von Komponenten aus dem eigenen Konzern. So findet der Elektromotor bereits als Startergenerator bei der neuen Mercedes-Benz S-Klasse Verwendung. Der zusätzliche Kühler für E-Motor und Inverter wird bei Mercedes-Benz Trucks verwendet, die Wasserpumpe arbeitet in Pkw mit Stern.